Mit „Der Hase im Mond“ legt Milena Michiko Flašar einen poetischen Erzählband vor, der in die japanische Kultur eintaucht. Als Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters versteht sie es meisterhaft, die feinen Unterschiede und stillen Zwischentöne dieser Welt einzufangen. Gerade in dieser sanften Beobachtung liegt die große Stärke ihrer Texte.
Die Geschichten sind vielfältig und geheimnisvoll – durchzogen von einer leisen Mystik. Da ist der Mann, der sich in eine Füchsin verliebt, ein Paar, das zum Voyeur seiner eigenen Nachbarnin wird, oder ein Leser, dem Menschen und Dinge gleichermaßen entgleiten. Jede Erzählung entfaltet eine eigene, fragile Welt, in der die Realität zerfließt.
Flašars Sprache ist klar, leise und zugleich von poetischer Wucht. Wie schon in ihrem großartigen Roman „Oben Erde, unten Himmel“ ziehen sich auch hier Einsamkeit und Sehnsucht als feine Melodie durch die Texte. Eine Moral oder gar ein Happy End sucht man vergebens – und genau das macht ihren Zauber aus.
Wie bei vielen Erzählbänden hätte ich mir manche Geschichten länger gewünscht, um tiefer in die Figuren eintauchen zu können. Bei anderen wiederum war ich froh, sie in der gebotenen Kürze zu erleben. Insgesamt überwiegen jedoch die stillen, berührenden Highlights deutlich.
„Der Hase im Mond“ ist ein stimmungsvoller, poetischer Band, der die japanische Kultur näherbringt – fein, nachhallend und melancholisch.