Mit „Kanakenblues“ ist David Gray ein großartig hard-boild Thriller gelungen. Insofern freut es mich besonders, dass er sich Zeit genommen hat und ich ihm in einem kleinen Facebook-Chat mit meinen Fragen bombardieren durfte.
lesefreude: In „Kanakenblues“ geht es um Korruption und vor allem korrupte Polizisten. Hast du mit diesem Thema bereits eigene Erfahrungen gemacht?
David Gray: Oh, böse Frage Ich habe ja mal, vor langer Zeit, Jura studiert und einige Praktika gemacht und außerdem in dieser Zeit als „studentische Hilfskraft“ in einer Strafrechtskanzlei gearbeitet. Es gab konkrete Korruptionsfälle, aber nicht in dem Rahmen, den ich in „Kanakenblues“ thematisiere. Das ist Fiktion. Dennoch eben auch nicht ganz unrealistisch, wie der berühmte so genannte Hamburger Polizeiskandal beweist.
lesefreude: Korruption als bloßes Spannungsmittel in deinem Buch?
David Gray: Also ich finde, dass gerade im Justizsystem, das zwar niemals ganz perfekt sein kann, dennoch Korruption bzw. auch politische Einflussnahme etwas ganz Gefährliches darstellt. Daher war es für mich schon mehr als einfach bloß so eine Idee aus dem „Krimibaukasten“.
Die Kollegen Krimiautoren verorten so etwas grundsätzlich ja immer noch eher nach USA oder UK. Doch auch in diesem, unserem Lande läuft ja nicht alles so ganz rund und perfekt. Ich finde es wichtig das auch in der Fiktion anzusprechen, selbst wenn die ja per se immer zu Übertreibungen neigt.
lesefreude: Younas übt Selbstjustiz. Wie ist deine persönliche Meinung zu Selbstjustiz? Ein probates Mittel oder etwas, das in unserer Gesellschaft aufgrund des Rechtssystems nicht vorkommen sollte?
David Gray: Gute Frage, nächste Frage, bitte. ;) Nein, ich war zwar der faulste Jurastudent der Welt /und Fan der schlechtesten Band der Welt, aber soviel ist dann doch an Rechtsphilosophie und Verständnis bei mir haftengeblieben, dass Selbstjustiz in jeglicher Form zu verurteilen ist. Die untergräbt schließlich den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Dass in bestimmten Extremsituationen rein emotional der Drang dazu nachvollziehbar sein mag steht auf einem anderen Blatt. Aber das ist dann exakt die Schnittstelle an der die Fiktion und der Krimi ins Spiel kommt.
lesefreude: Wer ist den die schlechteste Band der Welt? :D
David Gray: Die schlechteste Band der Welt auf die ich damals stand und heute noch stehe, liebe Sabrina? Das sind die Doktoren, die Deinen Blues mit ihrer Mucke heilen oder Dich auf Arschlöcher hetzen oder Claudias Schäferhund mit sehr skandalträchtigen Verdachtsmomenten bedenken und die dann auch noch behaupten Alle Männer sind Schweine … ;)
lesefreude: Als Schauplatz deiner Geschichte hast du Hamburg gewählt. Was war ausschlaggebend dafür, dass die schöne Hansestadt Hamburg Schauplatz dieser Brutalität wurde?
David Gray: Hm, da gibt es eine ganz pragmatische Antwort: Ich kannte Hamburg ein bisschen besser als andere deutsche Großstädte die theoretisch auch als Schauplatz in Frage gekommen wären. Da lag Hamburg schon aus diesem Grund auf der Hand. Außerdem, auch das muss man ehrlicherweise dazu sagen, hat Hamburg ja auch dieses etwas zwiespältige Image. Einerseits sind da, getreu dem Klischee, die „steifen hanseatischen Pfeffersäcke“ und auf der anderen Seite ist das Hamburger Kriminellenmilieu sicher das bekannteste der Bundesrepublik, siehe Sankt Pauli et cetera.
lesefreude: Oh ja Sankt Pauli bietet einen perfekten Krimischauplatz (z.B. auch in eXXXit von Svea Tornow). Ich fand es sehr interessant, dass wenn man das Rotlichtmilieu nicht unbedingt für sein Buch braucht, trotzdem Hamburg wählt.
David Gray: Ich brauchte das Milieu ja für „Kanakenblues“, schon weil da irre viel Geld verdient wird und wurde. Heute auf etwas tourifreundlichere Art als noch vor 20 – 30 Jahren, aber auch die Partypeople, die derzeit jede Nacht über den Kiez herfallen, werfen Pillen, ziehen Koks und gehen zu den Bordsteinschwalben …
lesefreude: „Kanakenblues“ ist als Überarbeitung von „Glashaus“ erschienen. Wie kam es dazu, das „Kanakenblues“ schließlich beim Pendragon Verlag landete?
David Gray: Ich lernte den Pendragon Verleger letztes Jahr auf einer Konferenz kennen und beschwerte mich (sehr sacht!) während eines Workshops bei der Konferenz darüber, dass gewisse Literaturestablishmentmenschen immer noch generell die Nase über Selfpublisher-Titel rümpften. Da machte der Pendragon Verleger mir das Angebot: „Schick mir doch mal was von Dir.“ Ich schickte ihm ein kurzes Konzept, aber auch zusätzlich – einfach um meine Schreibe und Denke im Krimi zu demonstrieren – das Skript von „Glashaus“. 14 Tage später kriegte ich Post vom Verlag. „Können wir Glashaus haben?“ Oookay. Ich habe das Buch dann zusammen mit den Lektoren wesentlich erweitert und einige Veränderungen vorgenommen. Es ist also komplett überarbeitet worden.
Dann war da die Frage des Titels. Der Verlag fand, „Glashaus“ sei zu allgemein und zu ausgelutscht. Wir brauchten 10 Minuten um auf „Kanakenblues“ als Alternative zu kommen. Und weder der Verleger noch ich konnte fassen, dass der Titel zuvor noch nicht registriert worden war. Ich bin mir dennoch bewusst, dass Pendragon mit dem Titel ein Risiko einging. Vielleicht auch damit, mich in ihren „Stall“ zu holen… Die hatten/haben schließlich einen guten Ruf unter der Krimileserschaft ;).
lesefreude: Du hast mit „Kanakenblues“ auf jeden Fall für Aufsehen gesorgt. Scheint sich also (nicht nur für Pendragon) rentiert zu haben ;)
David Gray: Na ob „Kanakenblues“ jetzt für Aufsehen gesorgt hat, da bin ich noch nicht sicher. Aber als Titel finde ich es immer noch gut, trotz der Kritik, die hin und wieder wegen der Titelwahl geäußert wird.
lesefreude: Gibt es den auch Dinge, die dir aus deinem Self-Publisher-Leben abgehen und welche Vorteile genießt du am meisten als Autor mit Verlag?
David Gray: Na als Self-Publisher machst Du halt alles selbst. Das hat den Vorteil, dass Dir keiner in deinen Kram hereinredet, den Du nicht hereinreden lassen magst. Im Verlag gibt es schon noch mehr Menschen, die ein Wörtchen bei deinem Buch mitzureden haben. Bei Pendragon waren die alle sehr freundlich, professionell und cool. Das muss ich mal ganz deutlich sagen. Die haben stets nach meiner Meinung gefragt und mich in ihre Arbeit mit / an dem Buch einbezogen. Aber das ist nicht in allen Verlagen so.
Da gibt es bei größeren Labels auch schon Horrorstorys von den Kollegen zu hören. Beispielsweise darüber wie sie von Lektoren oder Marketingmenschen behandelt werden, bzw. wie über den Kopf des Autors hinweg Entscheidungen gefällt werden. Ich hatte mit Pendragon also echt Glück in der Beziehung. Auch weil der Verleger ja schon echt auf der Suche nach dem etwas außergewöhnlichen ist.
Ein klarer Vorteil der Verlage ist einfach dass die Beziehungen zum Buchhandel haben. Das ist für uns Self-Publisher nämlich bisher im Großen und Ganzen immer noch eine undurchlässige Mauer. Und, auch das will ich mal sacht in die Runde werfen, hast Du einen Titel bei einem guten Verlag untergebracht, nimmt man Dich für Lesungen Festivals oder ähnliches auch ernst. Und was die Pressekritik und das Feuilleton betrifft sowieso. Da spielen Self-Publisher bislang auch keine Rolle.
lesefreude: Wird es weitere hard-boiled Thriller von dir geben oder dürfen wir uns vielleicht sogar auf ein Wiedersehen mit Boyle freuen?
David Gray: Es wird einen 2ten Boyle geben, der ist für den Herbst 2016 geplant. Und zuvor vielleicht noch etwas aus Hamburg und mit ein bis zwei Figuren aus „Kanakenblues“. Aber das ist noch very secret und vertraulich und noch nicht spruchreif.
lesefreude: Da fang ich dann gleich mal an mit hibbeln und freu mich auf neuen Lesestoff von dir. Vielen Dank für das Interview!
David Gray: Bitte, gerne! Und, für alle die ich jetzt so angefixt haben sollte für die Schreibe und Denke vom Gray, die dürfen gern mal einen Blick in meine Sherlock Holmes Serie werfen!