Pianistin Johanna Bochert spielt Ensemble mit improvisatorischer Höchstleistung an die Wand
Unheilverkündende Klavierklänge schallen durch das Landestheater Niederösterreich. Die Bühne ist in ein schummriges, dem Sonnenaufgang nachempfundenen Licht getaucht. Langsam stellt sich das Auge auf die dunklen Lichtverhältnisse ein und erste Details dringen ins Bewusstsein.
Das Bühnenbild ist, bis auf einen Flügel, leer. Die in Pailettenkleider gehüllten Schauspieler verharren ruhig auf der Drehbühne. Die volle Aufmerksamkeit liegt auf der Musik. Licht als auch Ton schwillt an, bis Ödipus schließlich zu sprechen beginnt.
In „Ödipus / Antigone“ packt Alia Luque die zwei bekanntesten Stücke der Thebanischen Trilogie von Sophokles in einen Theaterabend. Die antiken Stücke werden musikdominiert zum Ausdruck gebracht. Die Schauspieler und Textpassagen gehen dabei unter.
Das zentrale Element ist der Flügel, der grandios von Pianistin Johanna Bochert gespielt wird. Sie improvisiert, spielt auf den Tasten, zupft an den Saiten, klopft auf den Rahmen und begleitet die Schauspieler ununterbrochen. Johanna Bochert trägt das Stück und zieht das Publikum in ihren Bann. Etwas, das den Schauspielern nur bedingt gelingt.
So wie sich Ödipus‘ Welt zu drehen beginnt, dreht sich auch die Bühne die nächsten 2 Stunden und 40 Minuten. Den langen Monologen sind die Schauspieler nicht gewachsen. Die Aufschreie von Silja Bächli als Jokaste wirken grotesk und transportieren keinerlei Gefühl. Immerhin sorgen sie ähnlich Haydns Paukenschlag dafür, dass der Zuschauer zurück ins Geschehen geholt wird.
Hanna Binder ist der große Lichtblick der Aufführung. Stimmgewaltig, selbstbewusst und eine Spur aufmüpfig geht sie nach Ödipus‘ Tod in der zweiten Hälfte in der Rolle der Antigone auf und schafft es endlich Gefühle zu transportieren.
Das Ende in seiner ganzen Tragik, die Konsequenz aus Antigones Tod für Kreons gesamte Familie geht unter und wird vom virtuosen Klavierspiel verschluckt.