Der Inhalt
In „Herkunft“ nimmt Saša Stanišić Abschied von seiner dementen Großmutter. Autobiografisch erzählt er von seiner Kindheit in Bosnien und Herzegowina, von der Reise nach Deutschland, dem Ankommen und Fuß fassen. Saša erzählt nicht nur seine Geschichte, sondern auch die seiner Großmutter.
„Herkunft“ was ist das? Und welche Chancen und Möglichkeiten werden uns mit der Geburt in einem gewissen Land, einem gewissen Umfeld bereits in die Wiege gelegt?
Meine Meinung
In Österreich, oder auch Deutschland, geboren zu werden kommt einem Lotto Sechser gleich. Ich kann ein Leben leben in dem ich im Grunde alles erreiche kann. Jeden Weg einschlagen kann, den ich möchte. Als Frau kann ich hier selbstbestimmt leben, wenngleich es zu einer Gleichstellung von Mann und Frau noch ein weiter Weg ist.
Ein Privileg, das vielen nicht bewusst ist. Und eine Tatsache, für die ich jeden Tag dankbar bin. Reist man erstmal in ärmere Länder, wird dies nur zu deutlich. Beispielsweise nach meiner Äthiopien Reisen waren alle „Probleme“ so nichtig und klein. Im Gegensatz dazu wie manche Stämme dort leben, welche Herausforderungen sich die Menschen dort tagtäglich stellen müssen. Aber genug von mir nun zum Buch.
Saša Stanišić erzählt uns seine Geschichte. Den Beginn des Kriegs im damaligen Jugoslawien und seine Flucht nach Deutschland. Schnell merkte ich, dass ich über das damalige Jugoslawien nur sehr wenig weiß. Klar war das vor meiner Zeit. Doch über die damalige Tschechoslowakei weiß ich dennoch relativ gut Bescheid. Vermutlich weil ich diese Länder schon öfters bereist habe und dabei auch diverse Museen besichtig habe.
Insofern ist „Herkunft“ schon alleine aufgrund der geschichtlichen Aspekte spannend für mich zu lesen. Ich muss jedoch zugegeben, dass ich immer wieder Google um Hilfe bitten musste. Teilweise waren es Andeutungen von Saša Stanišić, die ich nicht ganz verstand und teils wollte ich schlicht noch mehr wissen.
Da Saša mit diesem Buch von seiner dementen Großmutter Abschied nimmt, hat diese natürlich eine zentrale Rolle im Buch. Wir erfahren viel über das Leben der Großmutter. Wie es bei dementen Menschen nun mal so ist, leben diese oftmals in einer eigenen oder auch vergangenen Welt. Das hat es mir zusätzlich erschwert in die Geschichte zu finden.
Den Drachen am Cover erklärt Saša mit der Mythologie in Bosnien und Herzegowina, die sich in vielen Fällen auf Drachen beruft. Insofern nicht verwunderlich, dass die Drachen eine Rolle in dem Buch spielen.
Nicht nur wegen des künstlerischen Kniffs, die Leser selbst entscheiden zu lassen, wie die Geschichte weitergeht, wurde „Herkunft“ in den Medien und der Bloggersphäre viel diskutiert. Saša selbst liebte als Kind derartige Bücher.
1991 hatte ich ein neues Genre entdeckt: Choose your own adventure. Als Leser entscheidest du selbst über den Fortgang der Geschichte […]
2%
Sich selbst den Fortgang der Geschichte aus zu suchen ist an sich nichts Neues. Beispielsweise Jutie Getzler macht dies in „10 Tage in Vancouver“. Während man bei Jutie Getzler sich ziemlich zu Beginn des Buches zwischen drei Szenarien entscheidet, gibt Saša Stanišić dem Leser erst am Ende (bei circa 78%) die Möglichkeit das Geschehen mitzugestalten.
An sich eine ganz nette Idee und auch schön gestaltet mit vielen unterschiedlichen Möglichkeiten. Leider bin ich gleich zu Beginn „falsch“ abgebogen und direkt zum Ende des Buches gelangt. Auch beim zweiten Versuch erging es mir nicht recht viel besser. Ein, zwei weitere Versuche absolvierte ich noch. Beim ebook war das hin und her bzw. wieder zurückblättern sehr lästig. Auch merkte ich rasch, dass mir der nun so gänzlich andere Tenor der Geschichte weniger zusagt und ich beendete das Buch ohne alle Möglichkeiten durchzuspielen.
Fazit
★★★★☆
Die Lebensgeschichte von Saša Stanišić und seiner Großmutter ist sehr spannend. Fesselnde Einblicke, die mir eine neue Welt öffnen. Es zeigt sich, dass Flüchtlinge auch vor 20-30 Jahren ähnlichen Herausforderungen gegenüber standen. Trotz all dem Fortschritt traben wir in grundsätzlichen Fragen des friedlichen, würdevollen Miteinander auf der Stelle.
Während mir die biografischen Aspekte der Geschichte ganz hervorragend gefielen, tat ich mir mit dem „Choose your own adventure“ Teil sehr schwer. Die Geschichte und das Buch hätten dies ganz und gar nicht mehr gebraucht. Denn es war bereits eine hervorragende, runde Geschichte. Dieser Kunstkniff schwächt für mich leider die Lesefreude.
Liebe Sabrina,
ich habe das Hörbuch gehört, vom Autor selbst besprochen, und genau das reizte mich am Hörbuch. Da geht einem dieses „Choose your adventure“ verloren und ich war etwas irritiert, was du meinst. hahaha
Kann mir vorstellen, dass ich das auch nicht gebraucht hätte.
Interessant, dass du über das ehemalige Jugoslawien so wenig weißt, wo Österreich doch gleich dort angegrenzt hat. Die Mythen der Drachen in Bosnien-Herzegowina waren neu für mich. Obwohl ich ja kroatische Wurzeln habe und Jugoslawien noch kannte, hatte ich davon noch nie was gehört. Diesen Aspekt hätte es für mich nicht gebraucht, aber ich konnte darüber gut hinwegsehen.
Was hast du neben dem Lesen noch alles gegoogelt? Das interessiert mich auch sehr. hihi
Eben weil ich den historischen Background kenne, hab ich dieses Buch aus einer ganz anderen Sicht gelesen bzw. gehört und war fasziniert, was Stanisic so erzählt hat. Ich bin in Deutschland geboren und kann sein Erlebtes nicht nachfühlen, dennoch weiß ich um die Schwierigkeiten, die er hatte.
HIER ist meine Kurzmeinung zum Hörbuch, wenn du magst!
GlG, monerl
Hallo monerl!
Ganz grob weiß/wusste ich über Jugoslawien natürlich Bescheid. Da ich eher im Norden Österreichs wohne, bin ich viel näher zur ehemaligen Tschechoslowakei. Ich bin ein riesiger Fan von Tschechien und mag auch die Slowakei recht gerne. In beiden Ländern bin ich aufgrund der geografischen Nähe sehr schnell. Deswegen führen mich Kurztrips oftmals dort hin. Dort habe ich schon vielfältige geschichtliche Ausstellungen und Co besucht.
Für das ehemalige Jugoslawien fehlt mir das. Ich war bis jetzt 3 mal in Kroatien. Das waren dann jedoch immer Urlaub zum Baden und Entspannen. Wunderschön, wenn auch für die „Bildung“ nicht unbedingt relevant. Deshalb habe ich beim lesen von „Herkunft“ wirklich ganz von vorne angefangen und die geschichtlichen Hintergründe auf Wikipedia nachgelesen :D Ich hab auf der Landkarte gesucht, wo die Städte genau liegen und wie weit das alles voneinander entfernt ist. Und zu guter letzte habe ich sogar die Geschichte von Roter Stern Belgrad nachgelesen :D
Liebe Grüße
Sabrina