Krakau blickt auf eine sehr bewegte Geschichte im Hinblick auf das Judentum zurück. Noch heute gibt es im Stadtteil Kazimierz das Judenviertel mit zahlreichen Synagogen, jüdischen Restaurants und Geschäften.
Bereits 1335 wurde den Juden hier ein Siedlungsgebiet von Kasimir dem Großen (polnisch Kazimierz) zugeteilt. Damals lag dieses Gebiet noch etwas außerhalb von Krakau. 1494 wurden alle Juden nach Kazimierz umgesiedelt. 1795 entstand so das erste „Ghetto“ der Juden in Kazimierz, als das Gebiet Teil der Habsburger Monarchie wurde. Das bedeutete für die Juden, dass sie nur innerhalb der Siedlung Handel betreiben durften. Zusätzlich wurde ihnen vorgeschrieben nach dem Deutschen Schulsystem zu unterrichten und sie erhielten deutsche Nachnamen.
Man sieht also die Juden hatten es in der Geschichte keines Falls leicht. Mir erschließt sich nicht, warum die Menschheit diese religiöse Gemeinschaft seit Jahrhunderten derartig mies behandelt. Wenn hier jemand geschichtliches Hintergrundwissen bieten kann, freue ich mich über Diskussionen in den Kommentaren!
Unter dem NS-Regime wurden die Juden 1941 aus dem schönen Stadtteil Kazimierz vertrieben und in den Stadtteil Podgórze auf der anderen Seite der Weichsel ein weiteres Mal umgesiedelt. Hier entstand das bekannte Krakauer Ghetto. Mit Mauern wurde sichergestellt, dass niemand mehr das Ghetto verlässt. In drei Deportationswellen wurden die Juden anschließend in die nahegelegnen Konzentrations- und Vernichtungslager gebracht.
Heute sieht man in Podgórze nur mehr zwei kleine Mauerreste. Am ersten Teil muss man aufpassen, dass man nicht einfach daran vorbeiläuft. Nahtlos gliedert er sich ins Stadtbild. Um den zweiten Rest der Mauer zu sehen muss man in den Garten einer Schule gehen. Es wirkt surreal wie dieser Mauerrest den Spielplatz im Schulgarten begrenzt.
Kommt man von der Altstadt und dem wunderschönen Viertel Kazimierz nach Podgórze merkt man deutlich wie vernachlässigt dieser Teil Krakaus noch heute wird. Viele der Fassaden und Häuser hätten eine Renovierung dringen notwendig.
Wenn man Krakau zu Fuß erkundet, geht man von Kazimierz einfach die große Starowiślna Straße entlang. Auf der Brücke über der Weichsel kann man den schönen Blick genießen, bevor man schließlich in das ehemalig Krakauer Ghetto in Podgórze kommt. Auf diesem Weg kann man den Platz der Ghettohelden mit dem atemberaubende Holocaust-Mahnmal gar nicht verfehlen. Die vielen leeren Sesseln, die verteilt auf dem Platz stehen und irgendwie zurückgelassen, vergessen wirken, strahlen eine ganze eigenartige Faszination aus.
In Podgórze befindet sich die berühmte Fabryka Emalia Oskara Schindlera, die durch den Spielfilm „Schindlers Liste“ von Steven Spielberg weltberühmt wurde. Oskara Schindler hat unter dem NS Regime circa 1200 Juden gerettet, indem er sie als unverzichtbare Fachkräfte für seine Fabrik ausgab. Heute ist die Fabrik ein Museum. Bei meinem Besuch in Krakau war sie leider geschlossen und ich konnte lediglich die Portraits der geretteten Juden vor dem Eingangstor betrachten.
Das Judenviertel Kazimierz ist heute ein beliebter Touristenhotspot in Krakau. Viele Juden haben sich hier wieder angesiedelt und das Viertel wurde herrlicher saniert. So befindet sich beispielsweise das berühmte jüdische Restaurant „Ariel“ hier. Mir hatte ein Blick durch die Tür gereicht. Um es als zu nobel für meinen Geschmack zu identifizieren. Kellner in Frack, mit Fliege und weißen Handschuhen sind etwas zu viel des Guten. Viel mehr nach meinem Geschmack war da schon das Ulica Krokodyli Pub & Cafe auf der anderen Seite des Platzes. Urig und gemütlich – ein Café zum Wohlfühlen.
Als Buchliebhaber sollte man in Kazimierz auf jeden Fall einen Blick in die jüdische Buchhandlung Księgarnia Austeria werfen. Hier gibt es Bücher rund um die jüdische Kultur und den Zweiten Weltkrieg in verschiedenen Sprachen. Neben der herrlichen Atmosphäre in der Buchhandlung erfährt man im Hof vieles zu dem amerikanisch-polnischen Illustrator Artur Szyk, der viele Karikaturen rund um Hitler gezeichnet hat, in denen er ihn als den Feind der Juden darstellt.
Krakau zeigt das bewegte Leben der Juden und bietet mit dem Viertel Kazimierz einen wundervollen Stadtteil mit einer herrlichen Atmosphäre. Von Kazimierz nach Podgórze kann man problemlos zu Fuß laufen. Alternativ findet man an jeder Ecke und vor jeder Sehenswürdigkeit kleine City Tour Busse, die einen durch die Stadt kutschieren.
Von Krakau werden Tagesflüge nach Auschwitz-Birkenau angeboten. Wer mit dem Auto unterwegs ist, kann dies auch problemlos auf eigene Faust machen. Ein Ausflug, den ich jedem nur ans Herz legen kann. Wieso? Das liest du in meinem Beitrag „Auschwitz-Birkenau Gedenkstätte“.
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