Was nie geschehen ist – Nadja Spiegelman

Was nie geschehen ist - Nadja Spiegelman

Die Handlung

Nadja Spiegelman ist die Tochter der erfolgreichen Art-Directorin des New Yorkers Françoise Mouly und des Cartoonist und Comic-Autors Art Spiegelman. In ihrem Debütroman „Was nie geschehen ist“ stürzt sich Nadja Spiegelman auf die blinden Flecken in ihrer Familiengeschichte. Sie erzählt jene Teile über die gerne geschwiegen wird.

Meine Meinung

Nadja Spiegelman erzählt die Geschichte ihrer Familie in drei Generationen und blickt dabei näher auf die Frauen. Neben ihrer eigenen Geschichte berichtet sie über ihre Mutter, Großmutter und in Ansätzen auch über die Urgroßmutter. Während sie ihre Mutter und Großmutter selbst monate- und jahrelang interviewt hat, kann sie bei der Urgroßmutter nur mehr auf Erzählungen zurückgreifen.

Nadja stellt unangenehme Fragen. Sie möchte jene Geschichten hören, die man nicht beim Sonntagsnachmittagskaffee erzählt. Jene Teile des Lebens auf die man vielleicht nicht sonderlich stolz ist. Sie gräbt unnachgiebig. Dabei schreckt sie auch nicht davor zurück mit ihrer Mutter und Großmutter über Sex zu sprechen.

Was nie geschehen ist - Nadja Spiegelman

Einige der Erlebnisse sehen wir aus den unterschiedlichen Sichtweisen. An Verhaltensweise, die die Tochter zu tiefst gekränkt haben, kann sich die Mutter gar nicht mehr erinnern oder hat es ganz anders gemeint. Es zeigt sich deutlich, dass die zielgerichtete Kommunikation sehr schwierig ist. Vieles kommt beim Empfänger nicht so wie vom Sender gedacht an. Unterschiedliche Wertigkeiten, Lebenssituationen und aktuelle Probleme, die im Kopf herumspuken machen die Kommunikation nicht einfacher.

Nadja Spiegelmann zeigt auch wie sich unser Gehirn wild Details zusammen spinnt und Geschichten ausschmückt. Wer hat den nun wirklich mit der Tochter aus dem Fenster geblickt. Hat die Mutter selbst dies mit der Tochter erlebt oder wurde es ihr nur derartig plakativ vom Vater erzählt, dass sie es für ihre eigene Realität hält.

„Die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion setzen wir selbst, und je besser wir unsere Fiktion im Griff haben, desto besser haben wir auch unsere Realität im Griff.“
32%

Dabei geht es ganz und gar nicht um das bewusste Lügen. Die Erzählerinnen sind der Überzeugung, das sich die Geschichte tatsächlich so zugetragen haben. Und dann kann es sogar passieren, dass eine Person ein lange in der Vergangenheit liegendes Ereignis mit einigen Wochen Abstand ganz anders wiedergibt. Die Realität ist also ein wild formbares Konstrukt.

Die Lebenswege der drei Frauen haben alle für sich schöne und weniger schöne Geschichten. Dennoch wurde mir das Buch an manchen Stellen etwas zu sehr aufgeblasen und verliert sich in Banalitäten. Mir ist bewusst, dass man nicht jede Tag großartige Geschichten erleben wird. Das Alltägliche sollte man in so einem Roman jedoch aussparen. Gerade wenn Erlebnisse aus unterschiedlichen Sichtweisen erzählt werden, verliert sich Spiegelman häufig in langatmigen Ausschmückungen.

„Der Erste Weltkrieg hatte Frauen Zugang zum Arbeitsmarkt verschafft, sie füllten die klaffende Lücke, weil all die jungen Männer ihr Leben verloren hatten.“
93%

Die Geschichte streckt sich vom ersten Weltkrieg bis in die heutige Zeit. Dennoch wird mir gerade beim zweiten Weltkrieg (zu dem ihr Vater Art Spiegelman mit „Maus“ ein sehr bekanntes Graphic Novel rund um seine Familiengeschichte in Polen und Auschwitz geschrieben hat) zu viel ausgespart. Vielleicht liegt dies auch daran, dass Nadjas französische Großmutter, wie leider eine Vielzahl von Europäern, diese Epoche ihres Lebens gerne verdrängt und totschweigt. So verständlich dies sein mag, müssen wir dennoch unbedingt und immer wieder daran erinnern, um aus der Vergangenheit zu lernen. Deshalb habe ich auch die #WiderDasVergessen Challenge ins Leben gerufen.

Fazit

★★★☆☆

In ihrem Debütroman zeigt Nadja Spiegelman wie dehnbar die Realität ist. Drei Generationen, drei Frauen, drei Geschichten – drei Geschichten, die nicht immer d’accord gehen. Leider verliert sich Spiegelman zu häufig in Banalitäten und Belanglosigkeiten. In Summe dennoch ein schöner biografischer Roman über mehrere Jahrzehnte.

Der Aufbau Verlag hat mir das Buch über NetGalley zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür.

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