Die Handlung
Während Frau und Schwiegermutter das Haus renovieren, macht Heinrich einen Kurs, um autobiografisches Schreiben zu lernen. Schließlich möchte beziehungsweise soll er zu Hause nicht im Weg stehen. Seine Begeisterung für den Kurs hält sich in Grenzen. Der demotivierte Lehrer und die Kommilitoninnen machen die Situation nicht besser.
In diesem Setting lässt Heinrich also sein Leben Revue passieren. Vom Heranwachsen in der Nachkriegszeit, seinem glänzenden Aufstieg im Rüstungskonzern Parabellum bis hin zur Liebe.
Meine Meinung
Georg Thiel nimmt uns in „Die Natur der Dinge“ mit zu einem Schreibkurs, an dem eigentlich niemand wirklich teilnehmen möchte. Weder der Lehrer noch seine drei SchülerInnen. Alle wurden mehr oder weniger zur Teilnahme am autobiografischen Schreibkurs gezwungen.
Bereits von der erste Seite an schwingt eine gewisse Resignation mit. Viel haben die Teilnehmer erlebt und mit vielem haben sie sich bereits abgefunden. Während Heinrich gar nicht wirklich Willens ist zum Schreibkurs zu fahren, klingt es doch wie eine erfrischende Auszeit. Weg von Frau und Schwiegermutter und dem erdrückenden Alltagstrott, der durch die Pensionierung nur zugenommen hat.
In der ersten Aufgabe schreiben die Teilnehmer über ihren Vater. Diese Geschichten geben uns bereits ein gutes Verständnis für die Teilnehmer. Besonders gut hat mir gefallen, wie der Autor mit dem Schreibstil spielt und jedem Protagonisten so seine Eigenheit in die Erzählungen mitgibt. Vor allem die schnörkellos, harte Sprache von Herma hat es mir angetan. Abgebrüht schreibt sie ihre Lebens- und Leidensgeschichte nieder.
Und dennoch ist Heinrich die Hauptfigur. Leider, möchte man fast sagen. Denn wäre nicht vielleicht Herma viel spannender gewesen. Ein Gedanke der so bezeichnend für Heinrichs Leben ist, der immer irgendwie farb- und glanzlos blieb. Verdammt zu Gehorsam und Unauffälligkeit.
Auch wenn wir uns auf einem Schreibkurs befinden, erfahren wir nichts über das autobiografische Schreiben. Der unmotivierte, deprimierte Lehrer gibt das Thema vor und die Teilnehmer schreiben vor sich hin.
Wir bekommen Einblicke in die Gedankengänge von Heinrich, dem es nicht immer leicht fällt die thematisch passende Geschichte aus seinem Leben herauszupicken. Anschließend lesen die Teilnehmer ihre Werke vor. Über das Handwerk des Schreibens an sich wird jedoch nichts erzählt.
Fazit
★★★★☆
„Die Natur der Dinge“ von Georg Thiel ist ein stimmungsvoller, wenngleich schwermütiger und deprimierenden Roman. Die Resignation und das Unvermögen in dieser Welt glücklich zu sein, beherrschen das Buch.
Das Spiel mit den unterschiedlichen autobiografischen Erzählungen, die alle einen eigenen Schreibstil haben, gefällt mir gut. Dies sorgt für die notwendige Auflockerungen in einem schwarzhumorigen Roman.
Fun Fact: Auf der Website des Autors habe ich ein Schreibseminar „Wie schreibe ich einen Roman?“ entdeckt. Bis Oktober 2021 bleibt ja noch etwas Zeit zum Überlegen. Nach „Die Natur der Dinge“ jukt es mich in den Fingern mich anzumelden. Nicht weil ich gerne einen Roman schreiben möchte, sondern um am eigenen Leib zu erfahren, wie viel Realität in dem Buch steckt.
Braumüller hat mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!