Die Schachspieler von Buenos Aires – Ariel Magnus

Die Schachspieler von Buenos Aires - Ariel Magnus

Die Handlung

1939 findet in Buenos Aires die Schachweltmeisterschaft statt. Während dieses Ereignisses bricht der Zweite Weltkrieg aus. Viele Spieler, vor allem Juden, kehren nicht mehr in ihre Heimatländer zurück. Neben realen Personen befindet sich unter ihnen Mirko Czentovic, der Protagonist aus Stefan Zweigs „Schachnovelle“.

Meine Meinung

In den ersten beiden Kapiteln war es für mich sehr schwer in die Geschichte zukommen. Ariel Magnus verwendet eine schwere Sprache. Lange Sätze und viele Zitate fordern die volle Aufmerksamkeit des Lesers.

Ariel Magnus hat mit „Die Schachspieler von Buenos Aires“ eine spannende Mischung aus Fiktion und Realität geschaffen. Tatsächliche Begebenheiten, rund um die Schachweltmeisterschaft 1939 in Argentinien, werden mit Fiktion ausgeschmückt und nicht überlieferte Lücken einfach mit künstlerischer Freiheit ausgefüllt.

Dabei zieht sich als roter Faden das Tagebuch von Heinz Magnus, der Großvater von Ariel Magnus, durch das gesamte Buch.

„Mein Großvater wäre gerne im vorherigen Kapitel vorgekommen, verschlief aber. Er hatte sich noch nicht so richtig an die argentinische – eigentlich spanische – Sitte gewöhnt, den Tag bis weit in den nächsten hinein auszudehnen, nachdem man ihn mittags für mehrere Stunden hatte ruhen lassen.“
Seite 121

Oftmals hatte ich das Gefühl nicht alles richtig verstanden zu haben und musste manche Absätze mehrfach lesen. Die Sätze klingen wunderbar und sind vielfältig verschachtelte Meisterwerke. Dennoch erschließt sich mir ihr Sinn nicht immer. Hinzu kommen die vielen Hintergrund Infos, die ich im Hinblick auf Schach nicht habe. Da wird von Zügen gesprochen, die in meinem Kopf mit keinen Synapsen verbunden sind und sich wirkungslos im Kreis drehen. So sagt mir weder eine französische noch eine indische Eröffnung etwas.

Die Schachspieler von Buenos Aires - Ariel Magnus

Die Vergleiche von Schach mit Boxen  fand ich faszinierend. Es schwebt die Frage im Raum ob Schach denn überhaupt als Sport klassifiziert werden kann. Diesen dann mit einem derartigen brutalen, kraftvollen Sport wie dem Boxen zu verbinden und die vielen Parallelen zu entdecken, ist sehr aufschlussreich und spannend.

Immer wieder schwenkt der Autor zur Politik und ergötzt sich in politischen Zusammenhängen. Bei den Versuchen den Zweiten Weltkrieg mit Schach gleichzusetzen, gibt es viele dezente Hinweise. Um diese alle umfassend verstehen zu könnte, müsste man allerdings den Zweiten Weltkrieg inhaliert haben. Obwohl ich für meine #WiderDasVergessen Aktion bereits viele Bücher rund um den Zweiten Weltkrieg gelesen habe, konnte ich viele Hinweise nicht nachvollziehen. Bis jetzt habe ich auch noch kein Buch aus der Sichtweise eines Landes, das nicht derart aktiv an den Geschehnissen beteiligt war, gelesen. Dies machte für mich den besonderen Reiz an „Die Schachspieler von Buenos Aires“ aus.

„Das Buch ist doch de facto solch ein mehrdeutiges Objekt, dass beide Sphären, die weltliche und die geistige, in sich vereint. Es ist ein Ding unter Dingen, und zugleich hält es das ganze Universum.“
Seite 137

Eine Vielzahl an mehr oder weniger bekannten Personen aus der realen Welt und der Literatur sind in dem Roman anzutreffen. Während manche wie beispielsweise die deutsche Schachmeisterin Sonja Graf oder Mirko Czentovic (aus der „Schachnovelle“ von Stefan Zweig) aktiv ins Geschehen eingebunden sind und eine wichtige Rolle übernehmen, schweben andere einfach nur durch die Geschichte. So unverhofft wie diese auftauchen, verschwinden sie auch wieder, ohne einen wirklichen Input gebracht zu haben.

"Die Schachspieler von Buenos Aires" von Ariel Magnus und "Schachnovelle" von Stefan Zweig

Die Rolle der Frau in „Die Schachspieler von Buenos Aires“ ist sehr herablassend. Die Frauen werden als niedere Wesen beschrieben, vor allem aus Sichtweise der Männer. Diese Ansichtsweise stößt mir sauer auf. Dann rufe ich mir jedoch wieder in Erinnerung, das wir uns im Jahr 1939 befinden und vermutlich die Sichtweise der Männer auf die Frauen wirklich so war. Und leider noch in vielen Situationen heute noch immer nicht so ist, wie sie sein sollte.

Und dann gibt es da Sonja, die deutsche Schachmeisterin, die eigentlich gerne ein Mann sein möchte. Ein im ersten Moment irritierender Charakter in dieser Welt. Eine Frau, die verzweifelt auf der Suche nach ihrem Platz ist. Für mich war nicht wirklich greifbar was Sonjas Beweggründe sind ein Mann sein zu wollen. Vielleicht liegt es darin begründet, dass sie sich als Mensch zweiter Klasse fühlt und in ihrem Schachspiel ebenso ernst genommen werden möchte wie die Männer. Denn sobald es um die Schachspielerinnen geht, werden diese von den Medien und den Zusehern trotzdem wieder auf ihre optischen Reize, ihre Kleidung und ihre Accessoires herabgewürdigt. Die eigentliche Leistung wird in den Hintergrund gedrängt. Ich stelle mir die Frage wie viel von Sonja und ihren Gefühlen, gerne ein Mann zu sein, überliefert ist und was Fiktion.

Die Schachspieler von Buenos Aires - seitenlange Zitate

Der Autor verwendet vielfach Zitate, Textausschnitte aus Büchern und Zeitungen sowie die erwähnten Auszüge aus den Tagebüchern des Großvaters. Vor allem von Fußnoten scheint Ariel Magnus ein echter Liebhaber zu sein. Die Verwendung von Fußnoten wird derart exzessiv betrieben, dass es sogar ein eigenes Kapitel zu der Verwendung der Fußnoten und der Sinnhaftigkeit dieser beziehungsweise dem literarischen Wert von der Aneinanderreihung von Zitaten und Textauszügen gibt.

Oftmals hatte ich das Gefühl, der Autor macht sich einen Spaß mit dem Leser und versucht ihn mit den unterschiedlichen Erzählsträngen, die sich durch diese teilweise sehr ausführlichen Fußnoten ergeben, zu verwirren. Oder ihm auch eine kleine Pause zu geben und so die Geschichte wirken zu lassen. Ariel Magnus verwendet diese Klaviatur der Fußnoten außergewöhnlich gekonnt.

Fazit

★★★☆☆

Vieles hat mir gefallen und manches lässt mich zwiegespalten auf „Die Schachspieler von Buenos Aires“ zurückblicken. So vieles Schöne der Schreibstil auch mit sich bringt, überwiegt letzen Endes doch die Verwirrung.

Hinzu kommt das vieles Vorwissen rund um Schach an sich, aber auch rund um den Zweiten Weltkrieg, das Ariel Magnus voraussetzt. Das erschwert die Lektüre dieses literarischen Werks doch erheblich.

Definitiv ein Buch, das man nicht so schnell weglesen kann und das die volle Aufmerksamkeit sowie Konzentration seines Leser fordert. Ein schweres Buch, das sicherlich nicht für jedermann und -frau geeignet ist, dem man aber eine Chance geben sollte, um es selbst herauszufinden.

Der Kiwi Verlag hat mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!

Let’s talk

Bücher, in denen viel Wissen um eine bestimmte Materie vorausgesetzt wird – Wie sollte man damit umgehen? Sollte beispielsweise eine Art „Warnung“ oder ein Hinweis auf dem Buch angebracht werden?

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