Kanada – Juan Gómez Bárcena

Kanada - Juan Gomez Barcena

Die Handlung

Ein Mann kehrt nach dem Krieg zurück in sein Haus. Er hofft, dass diese, wie seine Vergangenheit in Trümmern liegt. Doch es kommt anders. Während das Haus noch steht, haben sich seine Familie, seine Möbeln, seine Erinnerungen und Hoffnungen einfach aufgelöst.

Er schließt sich in seinem ehemaligen Büro ein und verlässt dieses bald gar nicht mehr. Versorgt wird er von seinem Nachbarn und dessen Frau. Ob sie ihm helfen oder viel mehr seine Wärter sind ist unklar.

Meine Meinung

Edel und wunderschön ist die Printausgabe von „Kanada“ aus dem Secession Verlag. Fast ehrfürchtig beginne ich zu lesen. „Kanada“ ist in der sehr selten zu findenden Du-Form geschrieben. Es fühlt sich an als möchte mich der Autor direkt ansprechen, als fordert er mich heraus, das Geschriebene tatsächliche zu fühlen. Und anfänglich gelingt ihm das noch recht gut. Ich fühle die Verzweiflung, den Schmerz und gleichzeitig die völlig Überforderung mit der Situation.

Die Protagonisten haben allesamt keine Namen. Neben dem „Du-Erzähler“ gibt es den „Nachbarn“, „Neffen“, „Chef“ – so werden die Protagonisten umschrieben. Einen Namen erhalten sie nicht. Dies gibt eine seltsame Anonymität, in der zugleich mitschwingt, dass ein jeder von uns die Rollen der Protagonisten einnehmen könnte.

Kanada - Juan Gomez Barcena

Kanada - Juan Gomez Barcena

Der Mann verschließt sich in seiner Wohnung, versucht das Erlebte zu verarbeiten und scheitert kläglich. Langsam greift der Wahnsinn um sich und droht den Mann vollständig zu verschlingen. Der Mann war früher Astrophysiker und Dozent an der Peter-Pazmany-Universität. Er liest eine Seite aus einem Astronomie-Buch. In die Vorstellung der Welt als der Mittelpunkt des Universums steigert er sich, dem Irrsinn nahe, absolut hinein. Diese Ausführungen ab ca. Seite 70 werden zunehmend wirrer. Dabei merkt Juan Gómez Bárcena nicht, wenn es so viel des Guten ist. Der Autor läuft Gefahr mich zu verlieren, obwohl „Kanada“ bis hierhin sehr gut war.

Der Mann muss schlimme Dinge erlebt haben. Doch diese schrecklichen Dingen werden erst sehr, sehr spät angesprochen. Erst nach dem wir rund 15 Jahre mit dem Mann verbringen und die Geschichte Ungarns etwas kennenlernen, gibt es ab circa Seite 120 einen Rückblick in das Leben des Mannes in Auschwitz.

Die Bedeutung des Begriffs „Kanada“ im Zusammenhang mit Auschwitz und dem zweiten Weltkrieg bleibt lange Zeit unklar. Hinzukommen Andeutungen rund um Mexiko, die in einer ohnehin schon wirren Geschichte mehr und mehr Verwirrung stiften. Erst ab Seite 140 von 192 kommt langsam etwas Klarheit in die Erzählung. Dafür benötigt man als Leserin schon einiges an Durchhaltevermögen.

Kanada - Juan Gomez Barcena

Fazit

★★★☆☆

„Kanada“ ist ein wunderschönes Buch, zumindest optisch. Inhaltlich fordert es den Leser heraus. Was stark beginnt, wird wirr, fordert Durchhaltevermögen und endet schließlich mit leisem Nachhall. Die Erzählperspektive in der Du-Form ist eine spannende Abwechslung.

Wer bereits einiges rund um den Zweiten Weltkrieg und Auschwitz gelesen hat, also Vorwissen zu dem Thema mitbringt, dem kann „Kanada“ eine weitere Perspektive eröffnen. Ohne Vorwissen, werden einem die vielen Andeutungen vermutlich das Leben bzw. Lesen schwer machen.

 

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