Die Handlung
Leon und Teres stranden in den Wirren des Kriegs in einem fremden Land. Obwohl die beiden Kinder von einer Bauernfamilie aufgenommen werden, bleiben sie fremd. Sie erhalten neue Namen und müssen lernen ihr Leben gänzlich neu zu denken.
Während Teres mit Minderwertigkeitsgefühlen und Selbstzweifeln kämpft, versucht Leon sich ein besseres Leben aufzubauen.
Meine Meinung
Die grundlegenden Themen von „Ein zögerndes Blau“ – Heimat, Herkunft, Identität und Verlust durch Krieg – sind top aktuell. Es kam für mich nie ganz eindeutig heraus, um welchen Krieg es konkret in dem Buch geht, wenngleich ich einen naheliegenden Verdacht habe. Auch ist es nicht eindeutig in welchem europäischen Land die Geschichte überhaupt spielt.
Diese Frage hat mich die ganze Zeit über nicht losgelassen. Klar ist „Ein zögerndes Blau“ so allgemein gültig, dass es eigentlich nicht wichtig ist. Dennoch ergaben sich daraus einige Folgefrage, die eine Unruhe in mir auslösten.
Neben Leon und Teres wird die Geschichte aus der Perspektive vieler weiterer Personen über circa 3 Generationen hinweg erzählt. Dabei werden die Perspektiven nahe zu nach jedem der kurzen Kapiteln gewechselt.
Da nie eindeutig angezeigt wird, wer nun erzählt und da man zu Beginn auch noch gar nicht weiß in welcher Beziehung die Personen zueinander stehen, war es schwer in die Geschichte zu finden. Unterschiedliche Sichtweisen gemischt mit unterschiedlichen Zeiten sind eine Herausforderung für den Leser. Dass die beiden Hauptprotagonisten Leon und Teres neue Namen bekommen und Leonas und Irena werden, macht es für den Leser nicht leichter.
Doch Durchhalten lohnt sich. Denn sobald man sich einen ersten Überblick verschafft hat, kann man sich fallen lassen und dieses bewegende Buch genießen. Das Schicksal der Kinder berührt und „Ein zögerndes Blau“ hallt noch lange nach.
„Doch sie verwechselten Ruhe mit Frieden und Stabilität mit Zufriedenheit. Ihre wahren Gefühle verhängten sie mit dicken Vorhängen, hinter die zu schauen sie sich verboten.“
56%
Ich habe mich recht schnell in Claudia Sammers anspruchsvollen, melodiösen Schreibstil verliebt. In ihrem Debütroman erzählt sie eindringlich von der Suche nach dem eigenen Ich und dem kleinen Stückchen vom Glück.
Mit gerade mal 176 Seiten ist „Ein zögerndes Blau“ ein kurzes Büchlein, das ich in nahezu einem Rutsch gelesen habe. Claudia Sammers schaffte es hervorragend ein Ende zu finden. Viel zu oft wirkt das Ende in belletristischen Büchern auf mich zu abrupt. Es gibt keinen Fall zu lösen wie in einem Krimi und auch keine Liebenden, die zu einander finden müssen wie in einem Chick-Lit. Es ist eine Geschichte, wie sie das Leben schreibt. Eine Erzählung die von Höhen oder besser kleinen Hügeln und Tiefen gezeichnet ist.
Die Unruhe die Leon antreibt, die ich beim Lesen so deutlich gespürt habe, legt sich zum Ende hin. Sie wird als Begleiter akzeptiert, angenommen und das Ende des Buches ist die logische Konsequenz daraus.
Fazit
★★★★☆
„Ein zögerndes Blau“ von Claudia Sammer ist eine sprachliche Wohltat für den Leser. Ein emotionaler, wichtiger Roman über zentrale Fragen wie Herkunft, Heimat und Identität.
Doch die Einstiegshürde ist sehr hoch. Viele, schnell wechselnde Perspektiven in unterschiedlichen Zeitebenen sind eine Herausforderung. Ich könnte es nachvollziehen, wenn man das Buch zur Seite legt, bevor es seine volle Magie und Kraft verbreiten kann. Mit einfachen Mitteln, beispielsweise bei jedem Kapitel, anzeigen aus welcher Sicht es geschrieben ist, könnte diese Hürden deutlich sinken.
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