The next big thing: Albtraum Start-up-Szene – Sam Gregson

The next big thing - Start-up - Sam Gregson

Der Inhalt

Sam Gregson hat mehrere Jahre für verschiedene Berliner Start-ups gearbeitet. Hippe Büros, Bier im Kühlschrank zur freien Entnahme, Tischkicker und Flipper zur Zerstreuung – soweit die Vorstellung vom lustigen Start-up Leben. Am Ende des Tages wird aus diesem Spaß ein Weltkonzern wie Google & Co.

Dass dies mit der Realität nicht allzu viel zu tun hat, verarbeitet Sam in seinem Buch “ The next big thing: Albtraum Start-up-Szene – ein Undercoverbericht„.

Meine Meinung

Sam Gregson erzählt unter einem Pseudonym von seinen eigenen Erfahrungen in unterschiedlichen Berliner Start-ups. Auch die Namen der erwähnten Start-ups scheinen mir geändert worden zu sein. Denn wenn man dann im Internet sucht, findet man keine relevanten Spuren. Angesicht der unschönen Details, die Sam auspackt, scheint mir dieses Vorgehen nur sinnvoll.

Ein Start-up lebt von seiner Vision, dem Gefühl alles erreichen zu können und den flachen Strukturen. Um diese gemeinsame Vision zu erreichen, heißt es für jeden Mitarbeiter auch einmal über seine Grenzen zu gehen. Wenn es keine gemeinsame Vision gibt, kann diese, zumindest eine zeitlange, von ausschweifenden, motivierenden Worthülsen und guten Rednern ersetzt werden. Ein gefährliches, zeitliche stark begrenztes und absolut nicht empfehlenswertes Vorgehen.

The next big thing - Start-up - Sam Gregson

Es ist mir nicht klar für welche Zielgruppe Sam Gregson sein Buch geschrieben hat. Ich kenne mich grundsätzlich in der Start-up-Szene aus. Begriffe wie Business, Angel, Inkubator oder Bootstraping sind für mich nicht neu. Sam Gregson definiert all diese Begrifflichkeit und erklärt die theoretischen Hintergründer laut Lehrbuch im Hinblick auf den Aufbau eines Start-ups. Dadurch wird es natürlich Menschen, die mit der Szene überhaupt nichts am Hut haben, ermöglicht das Buch zu verstehen. Für mich war dies jedoch eher langweilig. Und so hab ich die ersten 150 Seiten nichts wirklich Neues erfahren.

Das Buch plätschert lange Zeit vor sich hin. Und ja, oh Überraschung, auch ein Start-up soll / muss irgendwann Geld verdienen. Denn irgendwie muss das Ganze ja finanziert werden. Am Ende des Tages steht jemand dahinter, der damit Geld lukrieren will. Und selbst die Mitarbeiter wollen Geld verdienen und dieses regelmäßig auf ihrem Konto vorfinden. Insofern sollte es niemanden verwundern, dass neben alle der Party und dem Spaß auch hart gearbeitet werden muss. Dieses Faktum wird des Langen und Breiten mit einem „Mimimi“-Tonfall erklärt.

Ein Großteil der Erzählungen sind nicht Start-up spezifisch. Denn auch in großen Firmen wird versucht alles in Zahlen zu packen und messbar zu machen. Auch in großen Firmen wird versucht Marketingaktivitäten in KPIs zu packen und messbar zu machen. Eine horrende Herausforderung, da der Effektiv nicht unmittelbar sichtbar ist und es meist eine Vielfalt an Aktivitäten sind, die zum gewünschten Ziel führen. Dass dann nutzlose KPIs definiert werden oder Messdaten geschickt manipuliert werden, ist bestimmt kein Einzelfall.

„Und da Wachstum das primäre Ziel ist, werden auch die Mitarbeiter praktisch alles tun, um zu zeigen, dass sie zu diesem Wachstum beigetragen haben, selbst wenn sie sich dazu nutzloser oder bedeutungsloser Messdaten bedienen müssen.“
Seite 141

Im Endeffekt sind es bis auf wenige Ausnahmen, Probleme in Unternehmen generell. Egal ob Start-up, KMU oder börsennotiertes Unternehmen. Dass eine Kritik an vielen heute üblichen Praktiken angebracht ist und wir vieles ändern sollten, um unser (Arbeits-) Leben lebenswerter zu machen, dass will ich gar nicht abstreiten. Insofern stimme ich mit Sam Gregson in vielen seiner Kritikpunkten überein.

The next big thing - Start-up - Sam Gregson

Was absolut überhaupt nicht geht – und leider Gottes ebenfalls kein Start-up-Spezifikum ist – Mitarbeiter beziehungsweise generell Mitmenschen (systematisch) zu demütigen, beleidigen, handgreifliche zu werden oder diese sexuell zu belästigen. Von mehreren derartigen Fällen berichtet Sam. Es tut mir im Herzen weh, wie lange er selbst, aus Angst seinen miserablen Job zu verlieren, zugesehen hat, bevor er endlich eingeschritten ist.

Und so wird es auf den letzten 120 Seiten noch einmal spannend. Sam erzählt von Rassismus, Vorurteilen und Sexismus in der Arbeitswelt. Zunehmend verliert er den Start-up-Fokus und spricht allgemeine gesellschaftliche Probleme an. Dies gestaltete er jedoch recht kurzweilig und auf eine Art und Weise, dass man sein eigenes Handeln hinterfragt. Passiert es mir selbst vielleicht auch manchmal, dass ich aufgrund von beispielsweisen falsch eingelernten Verhaltensmuster nicht richtig handle? Das eigene Verhalten wieder einmal zu reflektieren, kann nicht schaden.

Last but not least, stellt Sam eine sehr spannende Frage: Wie viele Vorurteile stecken in (technologischen) Produkten? Eine vollumfängliche Beantwortung dieser Frage ist natürlich nicht möglich. Dennoch gibt er dazu sehr interessante Ansätze.

The next big thing - Start-up - Sam Gregson

Fazit

★★☆☆☆

Viel Gejammer führt zu einem mit der Zeit nervenden Unterton. Dazu kommen allgemein theoretische Grundlagen rund um Start-ups, die lediglich für Laien relevanten sind, um die Szene einordnen zu können.

Bis auf wenige Ausnahmen ist „The next big thing“ vielmehr eine Kritik an der Gesellschaft und der Arbeitswelt per se als an der Start-up-Szene. Wäre da nicht dieses ständige Mimimi, sondern etwas mehr Sachlichkeit.

Auf den letzten 120 Seiten finden sich viele interessante Überlegungen. Damit rettet Sam Gregson am Endes des Buches den zweiten Stern.

Let’s talk

Start-up, Einzelunternehmen, KMU oder großer Konzern – wie sieht dein ideales Arbeitsumfeld aus?

2 Replies to “The next big thing: Albtraum Start-up-Szene – Sam Gregson”

  1. Thorsten J. Pattberg says: Juli 12, 2019 at 2:25 am

    Ein schreckliches Buch, das man besser an die Seite legt. Wenn schon Whistleblower, dann auch Namen nennen. Ansonsten wir ihm einfach nichts glauben. Und am Ende noch mal Rassismus und Sexismus reinwerfen, weil es gerade hip ist, darüber zu schimpfen. Gräßlich. Man fühlt sich bei diesem Buch abgezockt. Ein Hochstapler? Gut möglich!
    Thorsten J. Pattberg, Auto der Lehre vom Unterschied

    1. lesefreude says: August 1, 2019 at 10:08 am

      Hallo Thorsten!

      Es stimmt schon, dass es gerade „hip“ ist über Rassismus und Sexismus zu sprechen. Das finde ich gut und wichtig, da diese Themen nicht totgeschwiegen werden dürfen. Es war für mich auch der interessante Teil des Buches.
      Dennoch ist es, wie beim ganzen Buch, dass die Thema und auch so wie der Autor sie behandelt nicht Start-up-spezifisch sind. Es sind allgemeine gesellschaftliche Herausforderungen. Und wenn der Titel des Buch schon suggeriert, dass es tiefe Einblicke in die Start-up-Szene gibt, erwarte ich persönlich das eben auch.
      Liebe Grüße
      Sabrina

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